Sachverständiger: Karl Echle, Freudenstadt
Das auf den ersten Blick hervorstechende Merkmal des Konzepts ist die Beschränkung auf eine wieder zweimanualige Anlage, abweichend von der Ausschreibung. Diese ist dafür aber ausgestattet mit einer besonders charaktervollen, großzügigen Disposition sowie vollmechanischer Ton- und Registerbetätigung. Welche technischen, künstlerischen, musikalischen und auch finanziellen Vorzüge ich darin sehe, will ich im Folgenden darlegen.
Wer sich als Orgelkundiger mit der Geschichte der Horber Stiftskirchenorgel befasst, muss sich schon recht konzentrieren, um den vielfältigen Änderungen folgen zu können. Offenkundig begann nach einem Jahrhundert verhältnismäßiger Ruhe 1852 (mit dem Einbau der Orgel Eberhard Friedrich Walckers) ein Prozess laufender Unzufriedenheiten, denen entsprechende Modifikationen auf dem Fuße folgten. Mein Ziel ist daher, die Schlüsse aus mit teurem Lehrgeld bezahlten Erfahrungen zu ziehen, um eine Lösung zu finden, die langfristig trägt.
Nach dem großen Stadtbrand 1725 erhielt die Stiftskirche im Inneren eine barocke Gestaltung. Die Orgel und ihre Fassade fügen sich hier prachtvoll ein, wenn sie auch nicht ursprünglich für diesen Raum konzipiert wurden.
1852 macht Eberhard Friedrich Walcker das Rückpositiv funktionslos, da es in seinem Konzept keinen Platz hat. Im Hauptgehäuse befinden sich nun alle drei Werke, das Rückpositiv schweigt.
Hierin sehe ich eine erste Diskrepanz zwischen stilistischer und technischer Vorgabe zum eingebauten Orgelwerk.
Mit der Pneumatisierung der Trakturen 1913 wird das um sieben Register auf drei Manuale angewachsene Werk leichter spielbar und registrierbar. Der gravierendste Nachteil dieser schnell verschleißenden Technik lässt nicht lange auf sich warten: Unpräziser Toneinsatz. Schleppendes und zähes Spielempfinden verlangen nach erneuter Veränderung. Während die Klänge dieser Orgel sicherlich ansprechend waren, hatte man sich technisch (nicht nur in Horb) von der geradlinigen Einfachheit tradierter Bauprinzipien völlig wegentwickelt: Ein Umstand, der noch im selben Jahrzehnt im ganzen deutschsprachigen Orgelwesen generell beklagt werden sollte.
So bleibt der nächste tiefgreifende Umbau nicht aus. Die Konstruktion der Anlage von 1958 ist von Unzulänglichkeiten durchzogen. Im Hauptgehäuse befinden sich nun fünf Windladen in vier Ebenen: Drangvolle Enge, gekröpfte Pfeifen, kein Platz für eine gesunde Windanlage, kein Platz für eine gut dimensionierte und zugängliche Ton- und Registertraktur. Eine aus dem Raum sichtbare, unter die Raumdecke geklebte Jalousiefront beeinträchtigt seither die eigentlich luftig-barocke Anmutung des nach oben ausschwingenden Mittelteils. Das Gehäuse ist vollgestopft, der Klang entfaltet sich kaum. Zudem werden die Seitenwände der Orgel bis an die Rückwand voll geschlossen, was klimatische und klangliche Problem mit sich bringt.
Vor diesem Hintergrund, und im Blick auf das gegebene Budget, trete ich für den konsequenten Rückbau der Anlage auf ein ausgereift komfortables Konzept mit zwei Manualen ein, wie das Auge es optisch suggeriert: Ein Hauptwerk mit hinterständigem Pedal und Rückpositiv. Ein stilistisch offenes Instrument, verwurzelt im spätbarocken Klang, aber ausgestattet mit Stimmen, die weit hineinreichen in die Romantik, und mit einer Registervielfalt, die allen Anforderungen an Dynamik und Begleitfunktion gerecht wird. Für das liturgische Orgelspiel im Gottesdienst eröffnet die gute Balance zwischen Rückpositiv und Hauptwerk Spielräume zur individuellen Anpassung der Klänge. Die Stärken der jeweiligen räumlichen Lage des Werks spiegeln sich in der Disposition wider, die Klänge sind aufeinander bezogen.
Auf diesem Instrument ist Orgelmusik der Barockzeit hervorragend interpretierbar. Neben älterer Musik kann aber auch nahezu die ganze deutschromantische Literatur vor Reger kompromisslos gespielt werden. Mendelssohns farbige Sonaten mit markanten Registrierungen der Ecksätze lassen sich ebenso stimmig darstellen wie z.B. Brahms empfindsame Choralvorspiele. Mit differenzierten Grundstimmen und satten Plenumsfarben steht dem Spieler ein Farbspektrum zur Auswahl, das zum abwechslungsreichen Orchestrieren der Musik einlädt, wie sie z.B. Schumann und Liszt für die Orgel des 19. Jahrhunderts komponiert haben.